TUMJA Alumna Andrea Geipel

im Gespräch mit David Noachtar und Elena Tangocci

Andrea Geipel ist Alumna des ersten Jahrgangs der TUM: Junge Akademie in den Jahren 2010/2011. 

Nach ihrem Studium der Sportwissenschaft an der TUM begann Andrea ihr Promotionsprojekt mit dem Thema „Don't act like a teacher! - How Science YouTubers become Experts“.

Seit 2018 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt museum4punkt0 beim Deutschen Museum.

 

David Noachtar (geb. 2000) ist Stipendiat im Jahrgang 2020 und arbeitet als Mitglied der studentischen Forschungsgruppe Exfluenced. Elena Tangocci (geb. 1993) gehört dem Jahrgang 2019 an, ist Teamsprecherin im Team StudyStrats, das sich mit Lerntypen und Lernstrategien und deren Zusammenhang mit Persönlichkeitsmerkmalen beschäftigt hat. Darüber hinaus ist sie stellvertretende Leiterin des Board of Members.

David studiert seit Oktober 2018 im Bachelor Physik. Elena promoviert seit September 2018 an der TUM School of Education, nachdem sie dort bereits den englischsprachigen Masterstudiengang "Research on Study and Teaching" absolviert hat.

Beide sind Mitglieder der Taskforce Marketing der TUM: Junge Akademie. Gemeinsam haben sie das Interview vorbereitet, durchgeführt und redaktionell überarbeitet. 

Elena: Was treibt dich an bzw. wofür begeisterst du dich?

Andrea: Ich würde sagen, die Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen, also Menschen aus verschiedenen Kulturen, verschiedenen Disziplinen, Fachrichtungen. Den Aspekt finde ich in meinen Projekten immer wieder, und vor allem in denen, die ich am liebsten mache.

Elena: Eine ganze persönliche Frage: Wer waren die Helden deiner Kindheit?

Andrea: Die erste Heldin, die mir einfällt, ist Lyra aus „Der Goldene Kompass“, weil sie mutig ist und schlau. Aber ich glaube, ich habe den Goldene Kompass erst viel später gelesen. Aber ich habe als Kind die Bücher von Michael Ende geliebt. Den „Wunschpunsch“ habe ich mindestens 5-mal gelesen, als ich klein war. Als Erwachsene ist das immer noch ein Buch, das ich immer wieder gerne lese. Es ist zwar keine Heldin, mit diesem Buch habe ich die Liebe zum Lesen entdeckt, zu Kreativität und Fantasie.

Elena: Welche Charaktereigenschaft hat dir am meisten geholfen, dort zu sein, wo du jetzt bist?

Andrea: Ich würde sagen, das ist Empathie, obwohl das vielleicht nicht der richtige Begriff ist. Besser passt: Zuhören. Empathie kann auch mal als übergriffig wahrgenommen werden. Und geduldiges Zuhören und Beobachten ist meiner Meinung nach wichtig, um sich in andere Menschen hineinzudenken.  Wenn man multidisziplinär arbeitet, ist es unglaublich wichtig, sich in andere Personen und deren Arbeitsalltag reinzudenken und zu verstehen, wie die andere Seite tickt. Das erleichtert die Zusammenarbeit auch über Abteilungsgrenzen hinweg.

Elena: Das ist wahrscheinlich auch eine wichtige Eigenschaft für die Forschung.

Andrea: Ja definitiv. Zum Beispiel auch bei meiner Promotion, weil ich ja auch dort in eine „neue Welt“ eingetaucht bin – die der Wissenschafts-YouTuber*innen. Aber es ist auch eine Eigenschaft, die mir manchmal im Weg steht – nämlich dann, wenn ich mich zu sehr in andere hineindenke und mich selbst dabei vergesse. Und gerade in der Forschung, die häufig mal mehr Einsatz fordert, kann das dazu führen, dass ich vergesse daran zu denken auch mal eine Pause zu machen.

David: Ich würde jetzt auf deine Karriere ein bisschen eingehen. Und als ein Einstieg: Was ist dein Interesse neben dem Beruf?

Andrea: Viel zu viel. Ich lese gerne. Ich spiele Volleyball. Ich fotografiere gerne. In den letzten zwei Jahren male ich viel. Das habe ich neu entdeckt. Das ist auch das, was mich am meisten abends runterbringt, wenn ich mich kreativ ausprobieren kann. Ich habe immer viel zu wenig Freizeit, um alles zu machen, was ich gerne ausprobieren würde.

David: Das kann ich mich vorstellen. Sehr aktiv. Der Jahrgang 2020 hat ein weitgreifendes Thema mit Technology und Arts, das auch sehr gut zu deinem Beruf passt. Das Deutsche Museum ist dafür bekannt, dass es genau diese beiden vereint. Welche Rolle spielt für dich in der Kommunikation neuer Technologien und allgemein der Wissenschaft die Kunst?

Andrea: In den letzten Jahren immer mehr. Zu Anfang habe ich immer strikt versucht, das zu trennen – also die eigene Kreativität und die Arbeit -, weil ich das Gefühl hatte, dass es getrennt sein muss und das eine nicht mit dem anderen zusammenpasst. Als ich im Sportstudium war, habe ich für eine Prüfung die verschiedenen funktionalen Anteile des Gehirns skizziert und dann farbig gestaltet. Das hat mir einfach beim Lernen geholfen. Aber das war immer getrennt von der „richtigen Arbeit“. Im Lauf der Promotion habe ich gemerkt, dass die beiden Aspekte – Kunst & Technik oder Kunst & Wissenschaft - aber unbedingt zusammenpassen. Kunst kann dabei helfen komplexe Zusammenhänge zu visualisieren, Auswirkungen für die Gesellschaft zu reflektieren und schafft vor allem neue Zugänge zu diesen Themen. Gerade jetzt im Deutschen Museum bin ich zum Verständnis gekommen, dass Kunst zum einem gerade komplexe Themen greifbar machen kann, aber auch umgekehrt, dass Kunst nicht nur dafür da ist, Wissenschaft und Technologie zu vermitteln, sondern auch Wissenschaft und Technologie voranzutreiben. Entsprechend arbeiten wir häufig mit Künstler*innen zusammen. 

David: Wie wird dieser Aspekt in deinem Fall mit der VR Virtual Reality Technologie umgesetzt?

Andrea: Da spielt Kunst eine ganz große Rolle, weil tatsächlich der Kunstbereich sehr viel weiter im Einsatz von VR ist. Ich konnte es gar nicht vermeiden mich damit auseinanderzusetzen, als Leiterin des VR-Labs. Im ersten Monat habe ich versucht, erstmal herauszufinden, was es denn schon gibt, wie ich VR nutzen kann. Es gibt natürlich viele Anwendungen im Spielebereich. Aber gerade auch künstlerische Installationen finden neue Vermittlungszugänge für Wissenschaft und Technik. Ich bin viel auf Events gewesen und habe mich mit Künstlerinnen und Künstlern unterhalten und ganz viel darüber gelernt, wie man digitales Storytelling angeht. Weil natürlich, wenn man das klassische Museum macht, so haben wir auch angefangen, überträgt man das, was man in der Welt außerhalb von so einer VR-Brille kennt, einfach direkt in das Virtuelle. Aber eigentlich ist es viel interessanter, damit zu spielen, was mit dem neuen Medium möglich ist. Zum Beispiel haben wir eine Dampfmaschine, in der man den Kopf in einen Dampfkessel hineinstecken und sich anschauen kann, wo welcher Dampf reinkommt und wo er wieder rausgeht. Dass man solche Sachen mitdenkt und dadurch einfach Zusammenhänge und Prozesse verständlicher macht, ist wirklich toll. Und VR bedient auch einen sehr großen emotionalen Aspekt. Meine Lieblingsgeschichte ist immer noch die einer 60-Jährigen Frau, die bei uns ihren Geburtstag gefeiert hat. Einmal im Leben wollte sie zum Mond reisen – also hat sie das bei uns im VRlab gemacht.

David: Welche Rolle könnte die Junge Akademie einnehmen? Beispielsweise gibt es in meinem Jahrgang ein Team, das ein VR-Programm entwickelt hat, um den Senioren VR näher einzubringen.

Andrea: Ich glaube einerseits, dass jede Studierenden-Gruppe eine ganz andere Sichtweise auf Vermittlungsmethoden mit neuen Technologien hat. Auch im Rahmen meines Projekts arbeiten wir viel mit Studierenden zusammen. Es ist sehr faszinierend, wie anders dort wissenschaftliche Themen aufgearbeitet und vermittelt werden. Wir hatten ein Projektseminar und eine Gruppe kam und hat gemeint, wie können wir eigentlich die ganz verschiedenen Ausstellungsinhalte thematisch und historisch so verknüpfen, dass klar wird, wie Technologie Gesellschaft verändert hat. Das war ein ganz neuer Ansatz, der bei uns neue Ideen angestoßen hat.  Und ich glaube, dass genau hier die Junge Akademie ansetzt. Sie fördert die multidisziplinäre Zusammenarbeit und ermöglicht es den Studierenden Einblicke in aktuelle Projekte zu geben. Man kommt erstmals in den Dialog und versteht, was machen die in den anderen Studiengängen, baut vielleicht Vorurteile ab. Und die entwickelten Projekte oder Prototypen bringen neue Sichtweisen in diese Felder, inspirieren und treiben an, neue Wege zu gehen.

David: Jetzt vielleicht noch einmal zu dem Aspekt Technologie zurück. Wie können Technologien und Wissenschaftler auch von dem Zusammenspiel der Kunst profitieren?

Andrea: Ich glaube, das ist ähnlich wie die Projekte, die in der Jungen Akademie gemacht werden: der Wechsel der eigenen Perspektive auf ein Thema und auch die Erweiterung der Perspektive. Im Forschungsprozess ist man häufig sehr fokussiert auf das eigene Thema. Man wird zur Expertin der eigenen Arbeit und das ist wichtig. Die künstlerische Auseinandersetzung kann neue Perspektiven eröffnen und damit das Verständnis für die eigene Arbeit noch vertiefen. Ein Ansatz, den ich toll finde, der das verfolgt ist der der „Research Creation“. Hierbei arbeiten Wissenschaft und Kunst Hand in Hand. Dabei gewinnen beide Seiten – die künstlerische und die wissenschaftliche neue Perspektiven.

Elena: Wieso hast du den Weg in die Wissenschaft gewählt?

Andrea: Ich will nicht aufhören, Neues zu lernen. Das ist der Antrieb, warum ich in der Wissenschaft bzw. an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kultur, bleibe.

Elena: Wir haben noch ein paar Fragen zur Junge Akademie und zu deiner Zeit, wenn du zurückblickst. An welche Momente aus deiner Zeit in der Jungen Akademie denkst du am liebsten zurück?

Andrea: Ich glaube die vielen lustigen Events, die sich nach und nach entwickelt haben. Zum Beispiel die erste Abschlusskonferenz, die damals Daniel, Bea und ich organisiert haben. Da gab es viele schöne Momente. Erste Male sind immer besondere Momente und deshalb habe ich sofort das Bild von dieser Konferenz im Kopf. Ich denke auch an unsere erste Wanderung, auch wenn sich ganz wenige Leute angemeldet hatten. Weil es der Beginn war. Und zu so tollen Events, wie das Running Dinner geführt haben.

Elena: Was konntest du aus deiner Zeit als Stipendiaten persönlich mitnehmen?

Andrea: Ich wiederhole mich heute die ganze Zeit, also das ist bestimmt die multidisziplinäre Zusammenarbeit. Ich glaube, das ist nicht unbedingt die Arbeit an sich, sondern die Werte, die dahinterstecken. In der Sportwissenschaft ist es so, dass man alles lernt, was mit Sport zu tun hat – von den Grundlagen der BWL, zur Anatomie, der Psychologie bis hin zur Sportinformatik. Deshalb habe ich verschiedene disziplinäre Einblicke bekommen. Vorher war mir gar nicht bewusst, wie wertvoll das ist. Ich habe von vielem so ein bisschen gelernt, aber halt nicht vertiefend - zumindest zum Beginn.

Eine weitere Sache, die man lernt ist das Verhandeln bzw. die Auseinandersetzung mit bürokratischen Vorgaben. Das ist vielleicht anstrengend, aber als Tutorin habe ich immer wieder den Gruppen gesagt, wie hilfreich das für später sein wird. Ich habe in der Akademie gelernt, mit den anderen zu verhandeln, weil man bei solchen Projekten so oft in den bürokratischen Untiefen der Universitäten abtauchen muss. Man lernt ganz viel darüber, wie man mit solchen Situationen umgeht und kann das immer wieder anwenden, wenn man eigene Projekte bearbeitet.

Elena: 2020 wurde die Junge Akademie 10 Jahre alt, was wünschst du den Stipendiaten und dem Programm für die Zukunft?

Andrea: Dass es weiter so wächst, weil die letzten 10 Jahre so unglaublich viel passiert ist. Im ersten Jahrgang wusste man gar nicht, wo es hingehen sollte. Für die Zukunft wünsche ich mir, - einfach weil ich den Weg aus der Naturwissenschaft in die Sozialwissenschaften auch selber gegangen bin –  dass die Sozialwissenschaften noch weiter mit eingebunden wird. Vor allem dann, wenn es um die methodologische Ausbildung für die Projekte geht. Das ist die größte Herausforderung, so was tatsächlich einzubinden, in so ein einjähriges Programm. Aber eine gute und umfassende methodische Ausbildung wäre ein unglaublich tolles Ergebnis.

Und auch weiterhin die Herausforderung zu meistern, die wir immer wieder hatten mit den Projekten, also die Balance zwischen der Ambition, was mache ich in dem Jahr und was kann ich wirklich umsetzen und wie bringe ich das zusammen, so dass am Ende nicht irgendwie Frust entsteht, sondern auch das Gefühl, ich habe was gelernt, ich habe was geleistet und ich kann was vorzeigen.

David: Noch eine letzte Frage. Wie hat die Junge Akademie deinen Karriereweg beeinflusst?

Andrea: Sehr extrem, weil ich dadurch mein Promotionsthema geändert habe. Unser Projekt „One Minute Science“ hat sich mit Wissenschaftskommunikation beschäftigt. Dabei ging es darum an Schulen Wissenschaftsfragen zu sammeln, die man sich vielleicht normalerweise nicht zu fragen traut. Professor*innen der TUM mussten die Fragen dann in einminütigen Videos beantworten. Wir wollten auch nach Ende des Projektjahrs, dass die Idee weiterlebt. Also haben wir es am Deutschen Museum vorgestellt und haben gefragt, ob sie es weiterführen können, weil wir nur zu dritt im Projekt waren. Die fanden es sehr spannend, allerdings hatten sie niemanden, der sich drum kümmern könnte. Sie meinten, dass man im Rahmen eines Praktikums evaluieren müsste, ob sich das umsetzen lässt. Ich habe mir gedacht, dass ich es total interessant finde und das gerne machen würde. Also habe ich an meiner Fakultät durchgesetzt, dass ich am Deutschen Museum ein Praktikum machen konnte, was ja im Vergleich zu meinem Schwerpunkt der Neuropsychologie und Bewegungswissenschaften eigentlich sehr fachfremd war. Dieses Praktikum in der Bildungsabteilung hat mir sehr viel Spaß gemacht. Und ein paar Monate nach Beginn meiner Promotion in der Sportpsychologie habe ich mich dann entschieden mich lieber weiter mit der Wissenschaftskommunikation zu beschäftigen. Also habe ich von der Sportpsychologie in die Science and Technology Studies gewechselt und meine Promotion am MCTS begonnen. Ohne die Junge Akademie wäre das wahrscheinlich nicht passiert.

Elena, David: Danke sehr für das tolle und sehr spannende Interview! Wir wünschen dir auch viel Erfolg bei der Promotion!