TUMJA Alumnus Patrick Christ

im Gespräch mit David Noachtar und Elena Tangocci

Patrick Christ ist Alumnus des ersten Jahrgangs der TUM: Junge Akademie in den Jahren 2010/2011. Als Vertreter der Stipendiat*innen im Advisory Board gestaltete er das neue Programm aktiv mit. 

Nach seinem Physikstudium an der TUM gründete Patrick Christ sein erstes Start-Up Demoskopia, anschließend promovierte er in Computer Vision & AI am Center for Digital Technology and Management (CDTM) – einem gemeinsamen Forschungs- und Lehrinstitut von TUM und LMU. 

Heute ist Patrick Christ Geschäftsführer der von ihm mitbegründeten Firma Capmo.

 

David Noachtar (geb. 2000) ist Stipendiat im aktuellen Jahrgang 2020 und arbeitet als Mitglied der studentischen Forschungsgruppe Exfluenced. Elena Tangocci (geb. 1993) gehört dem Jahrgang 2019 an, ist Teamsprecherin im Team StudyStrats, das sich mit Lerntypen und Lernstrategien und deren Zusammenhang mit Persönlichkeitsmerkmalen beschäftigt hat. Darüber hinaus ist sie stellvertretende Leiterin des Board of Members.

David studiert seit Oktober 2018 im Bachelor Physik. Elena promoviert seit September 2018 an der TUM School of Education, nachdem sie dort bereits den englischsprachigen Masterstudiengang "Research on Study and Teaching" absolviert hat.

Beide sind Mitglieder der Taskforce Marketing der TUM: Junge Akademie. Gemeinsam haben sie das Interview vorbereitet, durchgeführt und redaktionell überarbeitet. 

Elena Tangocci: Was treibt dich an bzw. wofür begeisterst du dich?

Patrick Christ: Meine Begeisterung liegt darin, Neues zu entwickeln und voranzubringen. 

Elena Tangocci: Welche Charaktereigenschaften haben dir am meisten geholfen, dort zu sein, wo du jetzt bist? 

Patrick Christ: Besonders geholfen hat mir Kreativität gepaart mit Zielstrebigkeit, nicht das zu machen, was alle machen, sondern einen neuen Weg einzuschlagen. Darüber hinaus aber auch die Fähigkeit, lieber einen Schritt zurückzugehen, um neue Denkansätze für festgefahrene Probleme zu finden. 

David Noachtar: Wie bist du nach dem Physik-Studium in den Bereich der Künstlichen Intelligenz und anschließend zu Capmo gekommen? 

Patrick Christ: Ich hatte immer schon eine Affinität zu IT und Programmierung, aber ich entschied mich, Physik zu studieren. Das Fach ist vielschichtig und vermittelt naturwissenschaftliche Grundlagen und analytische Fertigkeiten. Innerhalb der Physik lag mein besonderes Interesse in der biomedizinischen Physik. Um mein Studium zu finanzieren, habe ich nebenbei Webseiten programmiert und IT-Freelance-Projekte gemacht. 

Im Laufe des Studiums wurde mir klar, dass die Informatik meine Leidenschaft ist. Gleichzeitig finde ich es äußerst spannend, etwas selbstständig zu beginnen und voranzutreiben. Am Ende des Studiums entschied ich mich daher, gemeinsam mit einem Studienkollegen mein erstes Start-Up zu gründen. Zu dem Zeitpunkt habe ich bereits länger mit der Selbstständigkeit sympathisiert und mir gefiel die Idee, mit einem Freund etwas Gemeinsames aufzubauen. So haben wir Demoskopia gegründet, das es bis heute existiert. Das Ziel von Demoskopia ist, die Patientenzufriedenheit mit einer Tablet-App zu messen. Unsere Kunden sind Ärzte und Krankenhäuser, die monatlich einen Report erhalten, was gut und schlecht in der Praxis oder dem Klinikum läuft. Demoskopia haben wir direkt nach dem Studium gegründet. Da es sich leider nicht so erfolgreich weiterentwickelt hat wie erhofft, haben wir beide entschieden, unseren Fokus auf neue Themen zu legen. Ich konnte sehr wertwolle Erfahrungen sammeln und Probleme beim Gründen identifizieren, die man in Zukunft vermeiden sollte.

Ich entschied mich, nach der Unternehmensgründung an die Universität zu gehen und zu promovieren. Ich fand eine Promotionsstelle am CDTM, welches ein Institut von der TUM und der LMU ist. Es hat das Ziel, einen Zusatzstudiengang anzubieten, um Technologie und Management zusammenzubringen. Das CDTM hat sich zum großen Gründer-Hotspot in München entwickelt. Während meiner Promotion konnte ich zum einen erste Gründungserfahrung an Studenten weitergeben, und zum anderen selber Wissen und Fähigkeiten am CDTM erlernen. Spannend für mich war, dass man am CDTM im Bereich seiner Forschung relativ frei ist. Ich hatte Prof. Diepold als Co-Doktorvater, der auch lange bei der TUM: Junge Akademie engagiert war. Er ist ein sehr inspirierender und unterstützender Doktorvater, der mir ermöglicht hat, in der Forschung die Themen zu vertiefen, die ich besonders faszinierend fand - nämlich die Bereiche der Künstlichen Intelligenz und Deep Learning. 

Am CDTM habe ich dann auch meine drei Mitbegründer von Capmo kennengelernt. Sie waren zunächst meine Studenten und als wir vier gemeinsam fertig waren mit Masterarbeiten und Promotion, entschieden wir, gemeinsam ein neues Start-Up zu gründen. Wir wollten nun endlich die Fähigkeiten und Methoden, die wir am CDTM erlernt haben, praktisch umsetzen. Wir haben drei Monate lang die Märkte analysiert, Probleme identifiziert und Interviews in unterschiedlichen Märkten geführt. Auf diese Weise erkannten wir die Probleme in der Bauindustrie, die Capmo heute löst.

David Noachter: Hast du überlegt, nach deinem PhD weiter in der Forschung zu bleiben oder war für dich klar, dass du in die Wirtschaft gehst?

Patrick Christ: Mich motiviert, selbstständig zu sein und eigene Themen voranzubringen. Was mir in der Doktorandenzeit besonders Spaß bereitet hat, waren Lehrtätigkeiten: Studierenden Kenntnisse zu vermitteln und Wissen zu teilen. Aber es gibt auch weiterhin die Möglichkeit, in dieser Hinsicht tätig zu sein, als in der Forschung zu bleiben.

David Noachtar: Könntest du bitte erklären, was Capmo macht? Wie sieht für dich ein „normaler“ Arbeitstag aus - vor und während der Corona-Pandemie?

Patrick Christ: Bei Capmo sind unsere Kunden Bauleiter, die Baustellen leiten und führen. Wir helfen den Bauleitern bei ihrer tagtäglichen Arbeit auf der Baustelle, d.h. bei der Koordination von unterschiedlichen Handwerkern und der Überprüfung der Qualität und Zeit auf der Baustelle. Das Spannende daran ist, dass die Baubranche eine der größten Industrien in unserem Land ist und 10% der Wirtschaft ausmacht. Gleichzeitig ist die Baubranche eine der zwei undigitalsten Industrien, und bereitet daher große Chancen für junge Unternehmen wie Capmo. Die Arbeit während der Corona-Pandemie hat sich für uns nur marginal geändert, da wir auch gut im Home-Office arbeiten können. Dennoch ist uns ein persönlicher Kundenkontakt auf Baustellen und Messen sehr wichtig und hoffen, dass langsam die Normalität zurückkehren kann.

David Noachtar: Was magst du in deinem heutigen Job am meisten, was machst du am liebsten und was nicht?

Patrick Christ: Es begeistert mich zu sehen, dass Capmo funktioniert. Der Kundenkontakt bereitet mir viel Freude, da man sieht, wie Capmo bei der tagtäglichen Arbeit helfen kann. Darüber hinaus freue ich mich darüber, dass meine Mitarbeiter erfolgreich sind und ihre eigenen Ziele erreichen können. 
Die Corona-Pandemie stellt uns aktuell vor Schwierigkeiten, da wir Entwickler auch im Ausland rekrutieren. Wir haben beispielsweise zwei Mitarbeiter aus Südafrika und dem Iran, die wegen der Corona-Pandemie noch auf ihre Visa warten und noch nicht in Deutschland einreisen konnten. Für diese und weitere Aufgaben ist es teilweise schwierig, Lösungen zu finden, aber ohne Herausforderungen wäre der Arbeitsalltag langweilig.

Elena Tangocci: Erinnerst du dich an deine Zeit bei der TUM: Junge Akademie? Du warst im ersten Jahrgang dabei, inwieweit hat die TUMJA deinen Werdegang bisher beeinflusst? 

Patrick Christ: Wir haben damals an einem sehr spannenden Projekt gearbeitet. Die Idee war es, mithilfe von Videos Fragen des alltäglichen Lebens schnell und verständlich zu beantworten, zum Beispiel warum der Himmel blau ist, warum ist die Banane krumm, etc. Dazu haben wir eine Website mit einem Video-Content-Konzept erstellt. Für das Projekt konnten wir interessante Professoren und Speaker gewinnen, die uns bei der Beantwortung der Fragen von Schülern halfen. 

Eine besondere Erfahrung in der TUM: Junge Akademie ist auch das Arbeiten in interdisziplinären Teams. Teil meiner Gruppe waren unter anderem Maschinenbauer, Sportwissenschaftler und BWLer. Hier kann jeder seine Stärken einbringen und das Team profitiert als Ganzes. Dieses Wissen hilft mir auch heute noch. 

Elena Tangocci: An welche Zeitpunkte denkst du dabei am liebsten?

Patrick Christ: Ich erinnere mich immer noch gerne an die Ausflüge und Exkursionen. Damals waren wir bei Rohde & Schwarz, wo uns der Geschäftsführer beim Kamingespräch seine Sicht zum Thema Unternehmertum erklärt hat.

Was ich sehr geschätzt habe und schätze, ist die Mentorenschaft mit den Professoren, insbesondere mit den bereits emeritierten Professoren. Diese nahmen sich für uns und für die Mentor-Mentee-Beziehung sehr viel Zeit, was Mehrwerte für beide Seiten hervorbrachte. Der Mentor bleibt am Ball, bekommt mit, was aktuell die Studierenden und das Uni-Leben bewegt. Ich finde, das ist ein sehr wertvolles Konzept.

Elena Tangocci: Wie hast du die Rolle der Tutoren und Projekt-Mentoren wahrgenommen?

Patrick Christ: Ich habe die TUMJA-Mentoren hochgeschätzt. Unter ihnen gab es, wie bereits gesagt, emeritierte Professoren, die sich sehr viel Zeit für die Studierenden nahmen. Man kann so eine interessante und langfristige Beziehung aufbauen, was bei Prof. Kleber und mir noch immer der Fall ist.

Elena Tangocci: Was konntest du aus deiner Zeit als Stipendiat persönlich mitnehmen?

Patrick Christ: Der Austausch mit anderen Stipendiaten, insbesondere diejenigen aus anderen Fachrichtungen, war sehr bereichernd. Zusätzlich konnte ich persönlich bei Alltagsproblemen auf die Lebenserfahrungen älterer Mentoren zurückgreifen, die bereits viel erlebt haben.

Elena Tangocci: Dieses Jahr wird die TUM: Junge Akademie 10 Jahre alt, was wünschst du dem Stipendienprogamm für die Zukunft?

Patrick Christ: Ich wünsche der TUM: Junge Akademie, dass sie sich als Netzwerk noch stärker entwickelt. Hierfür ist es wichtig, dass sich alle Alumni einbringen. Der ständige Erfahrungsaustausch innerhalb der Jungen Akademie ist eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung.

Elena Tangocci: Ganz lieben Dank für das Interview!